Sound & Light Environment
La Monte Young    Marian Zazeela

1962 hatte La Monte das Konzept des Dream House ausgearbeitet, in dem ein Werk kontinuierlich gespielt und letztendlich in der Zeit als „lebendiger Organismus mit eigenem Leben und eigener Tradition“ existieren kann. […]
 
Unsere Arbeit dreht sich zu einem großen Teil um die Beziehung zwischen den Medien und Zeit oder um die Zeit an sich. Da Zeit für das Erleben und Verständnis dieser Arbeit so wichtig ist, werden Dream House Ausstellungen bewusst so eingerichtet, dass die Besucher lange in ihnen verweilen und während der gesamten Ausstellungsdauer vielleicht sogar wiederholt kommen können. Geht man davon aus, dass Stimmung [bzw. Stimmen] eine Funktion der Zeit ist (siehe Booklet zum Album The Well-Tuned Piano, Seite 7), kann es nötig sein, die Frequenzen über eine lange Zeitspanne zu erleben, um sein Nervensystem darauf zu stimmen, mit den Frequenzen des Environments harmonisch mitzuschwingen. […]
 
Ab Juni 1962 schuf Marian den visuellen Teil unserer Präsentationen, dazu zählten ab 1964 die Light Boxes und ab 1965 Lichtprojektionen. 1966 begann sie ihre Arbeit Light zu entwickeln. Dabei richtet sie farbige Scheinwerferpaare auf bewegliche Objekte aus und erzeugt dadurch scheinbar dreidimensionale farbige Schatten in einem leuchtenden Feld. Auf diese Weise nutzt sie die inhärenten Eigenschaften farbiger Lichtmischungen als Medium zur Übermittlung von Informationen über die Position und Relation von Gegenständen im Raum.
 
Wir bezeichneten den umgebungsbezogenen Aspekt dieses Zusammenwirkens von Klang und Licht als „Sound and Light Environment“ und begründeten damit ein ganz neues, eigenständiges künstlerisches Genre und Konzept. Den endgültigen Aufbau einer Installation bestimmen die architektonischen Gegebenheiten des Ausstellungsortes, wodurch jedes Sound and Light Environment zu einem einzigartigen Werk mit jeweils individueller Gestaltung und Dimension wird. […]

In Dream Music vollzieht sich eine radikale Abkehr von europäischer und sogar einem Großteil asiatischer Musik, insofern als die musikalischen Bezüge vollkommen harmonisch sind. Nicht die europäische Harmonie, wie sie in Lehrbüchern dargestellt wird, sondern die Intervallproportionen und die akustischen Konsequenzen der jeweiligen Verhältnisse, die in der Obertonreihe mitschwingen, wenn ein einfacher Grundton erzeugt wird. Es existiert überhaupt keine Melodie (The Disappearance of Melody), sofern man nicht gezwungen ist, die Bewegung von einer Gruppe verschiedener simultan erklingender Frequenzen zur nächsten zu hören, die aufgrund vorangegangener musikalischer Konditionierung aus der Obertonreihe als melodisch abgeleitet werden. Noch bevor der erste Mensch sich nacheinander von einer Frequenz zur nächsten bewegte (eine Melodie, wenn man so will), war bereits ein Muster für diese Bewegung (harmonisch) vorherbestimmt durch die Beziehung der zweiten Frequenz zur ersten durch die Obertonstruktur des Fundamentaltons des ersten Klangs. Und im Leben der Schildkröte ist der drone [Bordun] der erste Klang. Er hält in Ewigkeit an und kann keinen Anfang haben, wird aber von Zeit zu Zeit wieder aufgenommen, bis er ewig währt als anhaltender Klang in einem Dream House, in dem viele Musiker und Schüler leben und musikalische Arbeit verrichten. Dream Houses werden Musik ermöglichen, die nach einem Jahr, nach zehn oder hundert Jahren eines konstanten Klangs nicht nur ein wirklich lebendiger Organismus mit eigenem Leben und eigener Tradition sein wird, sondern auch dazu in der Lage sein wird, sich durch eigenen Impuls fortzusetzen. Diese Musik kann ohne anzuhalten Jahrtausende spielen, so wie die Schildkröte Millionen Jahre in der Vergangenheit überdauert hat; und vielleicht erst, wenn die Schildkröte noch einmal genauso viele Jahre überdauert haben wird wie all die Schildkröten in der Vergangenheit, wird sie schlafen und von der nächsten Ordnung Schildkröten träumen können, die noch kommen werden, und von Tigern aus alter Zeit mit schwarzem Fell und von Vorzeichen des 189/98 Wirbelwind in der Lost Ancestral Lake Region; nur dass jetzt, da unsere Spezies so viel Zeit hatte, Musik zu hören, die so lange gedauert hat, weil wir gerade aus einer langen, stillen Periode kommen und uns noch daran erinnern, wie lange Töne dauern können, und erst jetzt wieder zivilisiert genug werden, um Töne kontinuierlich hören zu wollen. Es wird einfacher werden, wenn wir uns weiter in diese Periode des Klangs hineinbegeben. Wir werden uns stärker mit Klang verbunden fühlen. Wir werden in der Lage sein, exakt die richtigen Töne in jedem Traumzimmer, Spielzimmer und Arbeitszimmer zu haben und die innewohnenden Proportionen nachvollziehen können, die durch ein Bauwerk (vgl. frühere architekturale Musik) oder Dream House (heilige Stätte usw.) schwingen, in das Vortragende, Schüler und Zuhörer vielleicht sogar von weit her zu Besuch kommen oder in dem sie lange Perioden der Dreamtime erleben und dabei die alterslosen Quotienten der Schildkröte in den Bildteppich der Ewigen Musik weben.
(Aus dem Programmheft von 1964, Copyright © La Monte Young 1968)

International bekannt wurden Sound and Light Environments von La Monte Young und Marian Zazeela unter anderem durch die Ausstellung La Beauté in Avignon 2000, das Festival MaerzMusik in Berlin 2002, die Ausstellungen Living Theatre in Neapel 2002 und Sons et Lumières im Centre Pompidou Paris 2004, die Biennale de l’art contemporain in Lyon 2005 und die Ausstellungen The Third Mind – American Artists Contemplate Asia, 1860-1989 im Guggenheim Museum New York 2009 oder See This Sound – Versprechungen von Bild und Ton im Lentos Kunstmuseum Linz 2009/10.
 
[Auszüge eines Texts der Künstler. Copyright © La Monte Young und Marian Zazeela 2009]
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