The Magic Opening Chord

La Monte Young:

Zeit und Periodizität stehen als Resonanzschleife in Beziehung zueinander. Das heißt, Zeit kann nur vor dem Hintergrund periodischer Ereignisse gemessen werden. Auch unsere Arbeit existiert in der Zeit, und wir benützen Zeit oft als ein Medium unserer Klang- und Licht-Environments. Deshalb sollte die Video-Installation von The Well-Tuned Piano in The Magenta Lights unbedingt zusammen mit The Magic Opening Chord als gehaltenes [sustained], elektronisch erzeugtes, periodisches, zusammengesetztes Klangwellenform-Environment präsentiert werden. Parallel dazu sind […] Lichtskulpturen von Marian Zazeela zu sehen.

Beim Betreten der Galerie im Regenbogenstadl hört man im […] vorderen Raum zunächst den Klang des Opening Chord. Schlendert der Besucher dann in diesem Raum umher und geht schließlich auf den hinteren Raum mit der Lichtinstallation von Marian Zazeela zu, sind allmählich auch Klänge aus dem Magic Chord wahrzunehmen, die diesem Raum entströmen und sich an einer bestimmten Stelle zwischen den beiden Ausstellungsräumen mit dem Opening Chord vereinen. Dieses Wandern vom Opening Chord zur Schnittstelle mit dem Magic Chord führt zu dem Klangerlebnis des Magic Opening Chord. Genau das passiert auch bei der Aufführung von The Well-Tuned Piano. Die Aufführung beginnt mit dem Opening Chord und geht schrittweise in den Magic Chord über, wobei sich die unterschiedlichen Komponenten und verschiedenen Intervalle dieser beiden Akkorde zu überraschenden Verknüpfungen vereinen, bis schließlich allein der Magic Chord zu hören ist.

Diesem Klangerlebnis entspricht es, wenn man in den hinteren Raum mit den Lichtskulpturen Marian Zazeelas geht und sich damit im Herzen des Magic Chord befindet. Und noch während man sich innerhalb dieses Raumes bewegt, hört man bereits wieder den Klang des Opening Chord. Begibt man sich dann an bestimmte Stellen im Raum, erfährt man den vollen Klang des Magic Opening Chord als eine Art Wechselgesang, so, als würde er von den Wänden einer hohen Kathedrale zurückgeworfen werden.

Die Wirkung dieser zwei Akkorde in den beiden Räumen wird dadurch verstärkt, dass das elektronisch erzeugte Klangwellenform-Environment aus Sinuswellen besteht, wobei jede Frequenz nur eine Komponente besitzt. Werden diese Sinuswellen in einem geschlossenen Raum kontinuierlich gehalten – wie es bei meiner Musik der Fall ist – entstehen stehende Wellen, und jede Frequenz findet ihre Stellen stärkster Resonanz im Raum, um dazwischen zu schwingen. Deshalb entsprechen jeder Frequenz bestimmte Punkte im Raum – ihre Noten und „Anti-Noten“ – wo der Klang mal lauter, mal leiser und an manchen Stellen auch gar nicht mehr hörbar ist, obwohl er bereits einen Meter daneben schon wieder in voller Lautstärke ertönt. Die Punkte im Raum, an denen die niedrigen Frequenzen laut zu hören sind, liegen etliche Schritte auseinander, wohingegen bereits ein Drehen des Kopfes genügt, um die höheren Frequenzen wahrzunehmen. Weil von diesen Sinuswellen-Environments eine Wellenform erzeugt wird, die periodisch ist, sind sie Beispiele für einen speziellen Aspekt jener Resonanzschleife von Zeit und Periodizität.

Marian Zazeela:

Meiner Ansicht nach bringt diese Installation, die wir hier im Regenbogenstadl geschaffen haben, auf einzigartige Weise die Beziehung unser beider Werke zum Ausdruck. Von jeder einzelnen Stelle der Raum-Installation aus und mit jedem neuen Blickwinkel erfährt man eine neue Perspektive, die wiederum in Beziehung zur Gesamtheit des Ereignisses steht. Und darüber hinaus bedingen die Sinuswellen auch ganz bestimmte Bewegungen. Diese individuellen Bewegungen der Zuschauer im Raum erschaffen wiederum individuelle Melodien aus der Kombination von Tonhöhen aus dem Magic Chord und dem Opening Chord. Aber die Beziehung zwischen unseren Werken umfasst noch eine weitere Dimension. Zwischen der Art, wie man meine Lichtskulpturen begeht, und den Möglichkeiten der Erfahrung dieser Sinuswellen im Raum gibt es nämlich Parallelen, das heißt: Mit der jeweiligen Position verändert sich auch der Bezug. Steht man perfekt symmetrisch zentrisch vor einer Skulptur, bekommt man ein bestimmtes Licht- und Farbenspiel zu sehen. Macht man dann nur einen Schritt zur Seite, verändern sich Umriss und Farbe der Skulptur. Oder man befindet sich an einer bestimmten Stelle und blickt in den anderen Raum hinüber, dann erscheint dieser umrahmt von der Farbe des Raumes, in dem man sich gerade befindet. Ich freue mich deshalb sehr, dass diese Installation dem Publikum wieder zugänglich ist, noch dazu in einer Kombination, in der wir sie noch niemals zuvor präsentiert haben.

La Monte Young:

… auch die Vorstellungskraft kann in dieser neuen, aus speziellen Periodizitätsreihen geformten Welt auf Reisen gehen und sich zu diesem speziellen Kosmos aufschwingen. Eine Fortführung des Dream House im Regenbogenstadl ist deshalb besonders wichtig, weil Installationen dieser Art diese Reisen in musikalisches Neuland und neue Bewusstseinszustände, beziehungsweise neue vibrierende Klangerfahrungen überhaupt erst ermöglichen. Vibration und Klang können als Modell für die Schwingungen der Struktur des Universums dienen. Und mit Hilfe eines entsprechend wohlkonstruierten Modells kann man den Prozess der Bewegung hinein in die Welten einer universellen Struktur studieren und besser verstehen.

(Auszug aus der Transkription des Video-Statements der Künstler zur Eröffnung. Copyright © La Monte Young and Marian Zazeela 2002.)

Der Magic Opening Chord ist im Regenbogenstadl von November bis April zu erleben. Dieser Text und weitere als PDF.